Blogbeitrag: Konsumverhalten
Nicht nichts.
Ich habe im Supermarkt eine Gurke gekauft. Nicht irgendeine Gurke. Eine Eingeschweißte. In Plastik. Bestimmt werden deswegen jetzt mehr Plastikmüll-Tonnen nach Malaysia oder Indonesien exportiert. Bestimmt wächst deswegen jetzt der Müllstrudel im Pazifik, der Great Pacific Garbage Patch. Bestimmt stirbt deswegen jetzt irgendwo in Asien eine Schildkröte, die sich im Kunststoffmüll verheddert hat. Oder ein Wal, der kiloweise Plastiktüten gefressen hat. Oder meine Gurkenverpackung.
Leben in Plastik
Ich war noch nicht mal betrunken oder aus irgendwelchen anderen Gründen nicht im Besitz meiner vollen geistigen Kräfte. Ganz im Gegenteil. Ich habe in vollem Bewusstsein eine in Plastik eingeschweißte Gurke gekauft. Habe durch eine unverantwortliche Konsumentscheidung unnötig Ressourcen verbraucht und Müll produziert. Warum? Ich habe aus Trotz gehandelt, ganz nach dem Motto „Jetzt erst Recht“. Weil ich frustriert war. Weil ich mich immer bemühe, bewusst zu konsumieren, verantwortungsvoll und „richtig“. Und weil ich das Gefühl habe, es reicht doch nicht. Es reicht einfach nicht, egal, was ich tue.
Ich bin verzweifelt. Ich trenne meinen Müll. Ich sammle sogar welchen vom Wegesrand auf, wenn ich in der Natur unterwegs bin. Ich schalte das Licht aus und drehe die Heizung herunter, wenn ich einen Raum verlasse. Ich beziehe hundertprozentigen Öko-Strom. Ich fahre mit der Bahn zur Arbeit. Ich esse kaum Fleisch und kaufe Öko-Spülmittel. Ich bringe meine Schuhe zur Reparatur zum Schuster, wenn die Sohlen durchgelaufen sind.
Mein Fruchtjoghurt ohne Reue
Aber auf der anderen Seite, muss ich gestehen, war die eingeschweißte Gurke nicht meine erste Konsum-Sünde. Ich kaufe im Supermarkt oft Fruchtjoghurtbecher, obwohl sie einzeln in Plastik verpackt sind. Ich habe für eine Dienstreise an einem Montagmorgen einen Inlandsflug genommen, obwohl ich sonntags mit der Bahn hätte losfahren können. Ich habe zu Silvester Raketen gekauft, obwohl ich mich mit Wunderkerzen hätte zufrieden geben können. Einfach, weil ich verschiedene Sorten Fruchtjoghurt mag und nicht nur eine, weil ich meinen Sonntag nicht für die Arbeit opfern wollte und weil ich diesen magischen Moment liebe, wenn es an Neujahr für ein paar Sekunden am Himmel funkelt.
Eines ist mir klar geworden: Ich kann die Welt nicht retten mit meinen Konsumentscheidungen. Das Einzige, was meinen ökologischen Fußabdruck konsequent auf null reduzieren würde, wäre, nicht zu existieren. Aber ganz ehrlich? Es reicht mir, nicht zu existieren, wenn ich irgendwann mal tot bin. Bis dahin würde ich gern noch ein möglichst freudvolles Leben führen. Fruchtjoghurt, Flugreisen und Feuerwerk erfreuen mich eben. Das muss ich zugeben.
Ich versuche, es so zu sehen: Ich kann mit meinen Konsumentscheidungen dazu beizutragen, dass es auf der Welt ein bisschen weniger schlimm ist. Immerhin nicht nichts. Und ist das nicht immerhin etwas?
erschienen bei Frida