Interview mit Reiseveranstalter
Nachhaltig reisen: Fernreisen ohne schlechtes Gewissen – so geht’s
Bio-Lebensmittel, Solarenergie, Car-Sharing: Umweltbewusstes Verhalten liegt seit Jahren voll im Trend. Immer mehr Deutsche achten inzwischen nicht nur zu Hause auf ihren ökologischen Fußabdruck, auch im Urlaub setzen sie auf Nachhaltigkeit. Reiseveranstalter, die umweltfreundliche und sozial verträgliche Touren anbieten, haben sich im Verband Forum Anders Reisen e.V. zusammengeschlossen. Vorsitzender Manfred Häupl erklärt im Interview, worauf es beim nachhaltigen Reisen ankommt und warum sich das jeder leisten kann.
Was bedeutet es, nachhaltig zu reisen?
Häupl: Der Begriff „nachhaltig“ stammt aus der Forstwirtschaft und bedeutete zunächst, nur so viel abzuholzen, wie man nachpflanzt. Nachhaltig reisen bedeutet also, dass ich mir vorher Gedanken mache: Was nütze ich als Tourist meinem Urlaubsland und wie viele Ressourcen verbrauche ich vor Ort? Denn unsere Welt ist nicht unendlich, die Ressourcen stehen nur begrenzt zur Verfügung. Insofern haben wir eine Verantwortung gegenüber den Urlaubsgebieten, in die wir reisen.
Was sind denn unter nachhaltigen Gesichtspunkten die schlimmsten Vergehen von Urlaubern?
Keine Rücksicht auf Mensch und Umwelt am Urlaubsort zu nehmen. Zum Beispiel, indem ich Offroad- oder Quadtouren und Rundflüge mit Motorflugzeugen oder Helikoptern mache. Solche Spaßtouren verbrauchen unglaublich viel Benzin, das zusätzlich in die Luft geblasen wird. Auch Hochseekreuzfahrten sind alles andere als nachhaltig. Die Schiffe werden mit Schweröl betrieben – der dreckigste Treibstoff, den es gibt. Beliebt sind auch Veranstaltungen mit Tieren, die aber oft nicht artgerecht gehalten und zu unnatürlichem Verhalten gezwungen werden.
Endlos duschen, Fernseher laufen lassen, jeden Tag ein neues Handtuch: All-inclusive-Urlaub lädt dazu ein, so viel zu konsumieren, wie eben geht. Wie nachhaltig ist denn All-inclusive-Urlaub?
So viel verbrauchen zu können, wie man will und sogar zu übertreiben, ist eine begrenzte Sicht von Luxus. Wer in Ägypten auf einem üppig grün sprießenden Rasen Golf spielt, sollte wissen, dass er die lokalen Wasserressourcen verschwendet, die dem einheimischen Bauern dann fehlen. Positiv sehen könnte man, dass All-inclusive-Touristen wenigstens im Hotel bleiben und auf die Weise keinen Schaden in der Umgebung anrichten.
Wäre es aus Ihrer Sicht nicht am besten, den Urlaub einfach zu Hause zu verbringen?
Nein. Ökologisch wäre die Belastung dann vielleicht am geringsten. Aber zu Hause bleiben ist auch keine Lösung. Schließlich geben Touristen in Schwellenländern auch Entwicklungsimpulse. Der Tourismus als Wirtschaftszweig leistet hier wichtige Unterstützung.
Viele Menschen sehen den Urlaub aber nicht als Beitrag zur Entwicklungszusammenarbeit. Sie wollen es sich in der „schönsten Zeit des Jahres“ besonders gut gehen lassen und auf nichts verzichten. Wie passt es zusammen, nachhaltig zu reisen und den Urlaub zu genießen?
Das passt hervorragend, wenn man sich die richtigen Dinge aussucht. Lebensmittel aus der lokalen Küche zu probieren kann extrem genussvoll sein. Es gibt auch architektonisch anspruchsvolle Fünf-Sterne-Unterkünfte, die ökologischen Standards entsprechen.
Als Ausgleich für den C02-Ausstoß, der bei einem Flug entsteht, können Urlauber über Plattformen wie Atmosfair oder Myclimate freiwillig Klimaschutzprojekte finanziell unterstützen. Tragen solche Maßnahmen tatsächlich dazu bei, die Treibhausgase in der Atmosphäre zu reduzieren oder beruhigen Sie nur das schlechte Gewissen von wohlhabenden Ökos, die nicht auf Fernreisen verzichten wollen?
C02-Ausgleichsmaßnahmen zu unterstützen hat auf jeden Fall einen Effekt. Denn sonst würde die Atmosphäre ja viel schneller belastet. Grundsätzlich sollte man sein Flugverhalten kritisch überprüfen: Wann muss ich wirklich fliegen, wann könnte ich auch mit dem Zug fahren? Es geht also nicht darum, gar nicht mehr zu fliegen, sondern insgesamt weniger.
Nein, man muss ja keine teuren Fernreisen machen. Bewusst reisen kann ich auch vor der Haustür. Andererseits muss nachhaltig nicht zwingend teuer sein. In Nepal zum Beispiel gibt es energieautarke Lodges, da kostet eine Übernachtung mit Frühstück 15 Dollar.
Auch wer alle Aspekte des nachhaltigen Reisens berücksichtigt, stößt im Urlaub auf Widersprüche, die das eigene Verhalten sinnlos erscheinen lassen. Während wir in Deutschland zum Beispiel unseren Abfall sortieren und Plastiktüten vermeiden, landet der Müll in vielen Urlaubsländern im Straßengraben. Was tun, wenn das Umweltbewusstsein der Einheimischen viel geringer ausgeprägt ist als das eigene?
Es ist auf jeden Fall kein Freibrief, das eigene Verhalten dem der Einheimischen anzupassen. Sich als Oberlehrer aufspielen sollte man allerdings auch nicht. Besser ist es, mit dem eigenen Verhalten etwas im Kleinen zu bewirken, etwa leere Batterien wieder mitzunehmen und in Deutschland zu entsorgen.